Auf der Seite des Österreichischen Filminstitutes heißt es zum Dokumentarfilm "Zwischen uns Gott":
"Die Filmemacherin Rebecca Hirneise bringt die Onkel und Tanten ihrer protestantischen Familie erstmals dazu, miteinander über ihren persönlichen Glauben zu sprechen. Der Film gewährt tiefe Einblicke in christliche Gedankenwelten und Konflikte, die zwar anachronistisch anmuten, aber aktuell gelebt werden."
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Ein Podcast von VsUM, Produktion: Inspiris Film
Redaktion & Moderation: Golli Marboe, Gestaltung & Produktion: Iris Haschek, Schnitt: Caritas Koren, Musik: Michael Pogo Kreiner
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In diesem Sinne; bis Morgen.
[00:00:06] Auf der Seite des österreichischen Filminstituts heißt es zum Dokumentarfilm Zwischen uns Gott, die Filmemacherin Rebecca Hirneise bringt die Onkel und Tanten ihrer protestantischen Familie erstmals dazu miteinander über ihren persönlichen Glauben zu sprechen. Der Film gewährt tiefe Einblicke in christliche Gedankenwelten und Konflikte, die zwar anachronistisch anmuten,
[00:00:31] aber aktuell gelebt werden. Heute bei Roman Scheibers Filmfilter und bei 365 Rebecca Hirneise. Rebecca Hirneise, welcher Film hat dein Leben verändert? Ja, also das ist für mich eine schwierige Frage, weil ich immer wieder, wenn ich Filme schaue, die in irgendeiner Form mein Leben verändern und ich da immer so reinfalle und ganz, weiß ich nicht, sensibel oft werde und man mich da so kriegt.
[00:01:02] Aber ich kann jetzt nicht sagen, welche Filme mein Leben verändert haben. Sie haben vorhin im Vorgespräch von Ihrer Schwester gesprochen, gemeinsam in den Abenden. Ja, also an was ich mich auf jeden Fall aus meiner Kindheit erinnere, war, dass meine Schwester wollte immer Horrorfilme mit mir schauen und hat mich da immer so ein bisschen dazu überredet. Und als wir dann da nachts saßen auf der Couch und Horrorfilme geschaut haben, ist sie meistens eingeschlafen und ich war dann allein mit Mörderspinnen und gruseligen Clowns und so.
[00:01:31] Und das, vielleicht hat das auch mein Leben mitgeprägt, aber... Ist der Horrorfilm dir irgendwie geblieben dann oder diese Angstlust? Nein, also es ist vor allem geblieben, dass ich keine Horrorfilme mehr gerne anschauen mag. Aber ich war oder bin, war große Michael-Haneke-Fanin und habe das ganz toll gefunden, was der gemacht hat und habe dann eh auch später da studiert. Ist denn der Horror auch eine Brücke und verzeihen Sie diese banale Überleitung zur Religion?
[00:02:02] Uh, ja, vielleicht. Also vielleicht in Teilen, also für manche vielleicht. Also die, ich meine, die Vorstellung von Hölle, wenn man sich das jetzt so vorstellt, kann schon eine große Horrorvorstellung sein, wenn man sich Gemälde anschaut oder so. Also ja. Also es gibt jetzt, du hast gerade gesagt, du schaust nicht mehr aktuell allzu viele Horrorfilme, aber wenn wir schon bei dem Thema sind, es gibt einen aktuellen Horrorfilm im Kino, der heißt Heretic. Den hast du dann wahrscheinlich nicht gesehen und was davon gehört.
[00:02:30] Ich will den jetzt da nicht groß nacherzählen, aber und auch nicht spoilern in dem Sinn. Aber da geht es darum, dass Religion oder die diversen Institutionen, durch die sich die Religion dann manifestieren soll, eigentlich einen Hauptzweck haben und das sei Kontrolle. Nämlich Kontrolle halt der Schäfchen dann und so. Was würdest du von diesem Gedanken generell halten?
[00:02:55] Also ich habe Religion sowieso immer eher als, also ich war nie gläubig und habe das irgendwie immer als so ein Regelkonstrukt wahrgenommen. Also man darf irgendwas nicht machen, sonst passiert das und insofern trifft es für mich, das was ich als Kind und Jugendliche wahrgenommen habe, trifft Kontrolle, trifft es ganz gut eigentlich, muss ich sagen.
[00:03:17] Das wird in dem Film jetzt natürlich ins Gegenteil verkehrt logischerweise, weil da geht es um einen Mann, der zwei so Missionarinnen quasi in sein Haus lockt und in die Tiefen dieses Haus. Aber Kontrolle, also sozusagen Regelkonstrukt. Du bist eine Agnostikerin, das sagst du auch jetzt gerade und ziemlich dezidiert. Du kommst aber aus einer stark religiösen Familie und auch aus einer sehr religiösen Gemeinschaft, kann man sagen oder so.
[00:03:44] Wie war denn das für dich sozusagen, als du jetzt da draufgekommen bist? Also in diese Gemeinschaft passe ich nicht, da gehöre ich von meinem Denken her irgendwie nicht hinein. Ja, wie war das für mich? Das hat sich irgendwie immer so, ja ich habe mich einfach so gefühlt. Also es war eigentlich von Beginn an so, dass ich mich so gefühlt habe, als würde ich das nicht ganz begreifen, was da gesprochen wird und was vermittelt wird und sowas.
[00:04:11] Also ich habe das einfach auch nie wirklich begriffen und das war auch ein Grund, warum ich mich dagegen ausgesprochen habe, distanziert habe von meiner Familie. Ich muss noch dazu sagen, ich glaube, die würden auch gleich schimpfen mit mir, weil wenn ich jetzt also nochmal zu diesem Regelkonstrukt, es geht natürlich vor allem auch um Religion, dass die Religion das Regelkonstrukt ist. Und dann gibt es ja noch den Glauben und Spiritualität und so, das ist ja nochmal eine andere Sache, das muss ich jetzt gleich sagen.
[00:04:38] Genau, aber in diesem Regelkonstrukt, da gab es jetzt keinen Moment, wo ich gesagt habe, ich gehöre da nicht rein, sondern es hat sich von Grund an angefühlt, als würde ich da nicht reingehören, tatsächlich. Und trotzdem war das Thema aber Ihnen so am Herzen brennend, dass Sie dem jetzt viele Jahre nachgegangen sind in der dokumentarischen Arbeit, die da jetzt vorliegt. Ja, tatsächlich, ja. Das ist dann so passiert, weil ich einfach gemerkt habe, ich kenne die auch gar nicht alle. Ich weiß nicht, was Sie über den Glauben denken, ich weiß nicht, wie Sie leben.
[00:05:07] Viele davon, zum Beispiel eine Tante, habe ich noch nie zu Hause besucht. Ich habe mit dem Film erstmals das Haus gesehen und den Garten und so. Und mit welcher Idee sind Sie dann losgegangen? Was wollen Sie dem Publikum oder den interessierten Rezipientinnen damit erzählen, dass Sie sie mitnehmen in Ihre intime Welt?
[00:05:25] Ich glaube, die Idee war, einmal einen Film zu sehen oder zu machen, wo man einfach das hören kann und sehen kann, was bei, ich sage mal in Anführungsstrichen, normalen Menschen ankommt. Also so jetzt nicht die ganzen Spezialisten zu hören, also Theologen oder so, sondern bei den Menschen, die halt in die Kirche gehen und das mitnehmen, was sie da mitnehmen. Und dies dann aber wieder zurückwerfen in den Film, nämlich das, was sie denken, wie der Glaube oder ihr Glaube funktioniert.
[00:05:55] Das war so ein bisschen die Idee. Und da ich eben eine religiöse Familie habe und ich das dann wieder mich erinnert habe, tatsächlich, weil ich habe das komplett ausgeblendet für eine Zeit, war das auf jeden Fall interessant, da das Experiment zu machen, sozusagen. Und da Sie ja sich als Agnostikerin bezeichnen und nicht als Atheistin, sehen Sie das ja auch recht entspannt. Also die anderen dürfen ja glauben, was sie wollen und das ist sozusagen kein Widerstand von Ihnen. Oder verstehe ich das falsch?
[00:06:25] Kein Widerstand mehr zumindest. Also es gibt an sich keinen Widerstand insofern, dass ich ja sowieso nicht weiß, was stimmt. Also das nicht, aber es gibt schon, also ich finde schon, dass es unangenehme Dinge gibt. Ich finde das Missionieren per se sehr unangenehm und das liegt halt dem Glauben praktisch oder der Religion praktisch inne, dass man versucht, andere zu überzeugen.
[00:06:52] Und das ist, finde ich, das, was man auch im Film hier und da halt beobachten kann. Und ich finde so Dinge wie die Gesundheit, wenn es praktisch um die Heilung geht, um die göttliche Heilung oder Heilung über einen Gott, da finde ich auch, dass man sehr vorsichtig sein muss. Also ich weiß auch nicht, was da stimmt oder nicht stimmt. Das ist halt total schwierig zu sagen, wenn mein Onkel mir zum Beispiel sagt, er hat gebetet und ein Daumen zum Beispiel ist gewachsen. Und da, ja, da bin ich dann verwirrt.
[00:07:22] Und aber es ist ja mein Onkel und ich schaue den an und ich denke, dass er mich nicht anlügt. Also dann ist halt die Frage, was ist das jetzt? Also es gibt natürlich auch missionarische Atheisten sozusagen. Das stimmt. Aber abgesehen davon, also ich, kurzer Disclaimer, ich bin auch Agnostiker und zwar eigentlich seit frühester Jugend, komme aber auch aus einer A-religiösen Familie. Nur ich hatte dann später interessanterweise Berührungspunkte, ja, mit so einer quasi A-zweiten-Familie.
[00:07:51] Da ist plötzlich die Religion ganz stark ins Spiel gekommen und da ist mir dann erst aufgefallen, wie heikel das eigentlich ist, weil ich habe das sozusagen abgetan. Abgetan, ich habe gesagt, okay, wer glauben möchte, ja, ich bin ja liberal, wer glauben kann und möchte, soll glauben. Nur ich glaube halt nicht. Und dann ist mir aber aufgefallen, dass das sofort zu einer heiklen persönlichen Sache wird irgendwie, weil sich ja eben Leute in ihrer eigenen Identität dann quasi von dir allein dadurch angegriffen fühlen, indem du ihnen sagst, an das, was du da glaubst, glaube ich aber nicht.
[00:08:20] Wie ist es dir da gegangen, abseits von deiner Familie? Hast du da auch irgendwie mal Diskussionen, Gespräche gehabt? Ja, also man kommt ja immer wieder dazu und wenn man irgendwie aus einer christlichen, religiösen Familie kommt, dann, oder mich hat es auf jeden Fall interessiert, immer wieder in anderen Kontexten andere Religionen auch da Gespräche zu führen, aber das stimmt schon, wenn man irgendwie sagt, dass man da nicht dran glaubt, dann ist das für manche ein tatsächlicher Angriff. So empfinde ich das manchmal.
[00:08:51] Und dann frage ich mich immer, warum das eigentlich so ein Angriff sein muss. 365. Ein täglich wachsendes Mosaik zur Wirkung von Journalismus und Medien. Ist es nicht so, dass vieles von dem, was in Ihrem Film vorkommt, eigentlich der Ordnung in Ihrer Familienstruktur dient? Also wird da sozusagen die Religion nicht hergenommen, um das Miteinander unter den Verwandten zu organisieren und zu ordnen
[00:09:17] und nach Regeln zu folgen, die vielleicht sonst zu diffus wären? Also kann man das so trennen überhaupt, dass die Religion sozusagen das eine ist und das Leben ist das andere? Nein, kann man natürlich nicht trennen, nein. Aber dass die Familie die Religion hernimmt, um das zu ordnen oder dass der Film dafür da ist? Also die Familie das hernimmt, um ihre innere Struktur zu ordnen und die Autoritäten und die Hierarchien und das Miteinander zu organisieren.
[00:09:46] Ja, ja, natürlich. Aber es ist halt auch immer die Frage, nach welchem System ordne ich da jetzt? Weil jeder hat ein anderes System. Also jeder von diesen Menschen, die da in der Familie sitzen, also jeder von den Onkel und Tanten hat ein ganz eigenes. Also es ist wie, als hätten die sich herausgeschnitten, was sie jeweils brauchen. Und ich meine auch tatsächlich brauchen und das finde ich irgendwie auch gut. Und das ist dann so zusammengesetzt, dass es irgendwie einem gut geht, vermeintlich gut geht, ich weiß es nicht.
[00:10:15] Aber ja, das sind irgendwie im ganzen Alltag viele Herausforderungen und dafür ist das natürlich sehr hilfreich auch. Also mein Onkel zum Beispiel schreibt jeden Morgen, wenn er aufgestanden ist, einen Brief, der ihm Gott diktiert auf einem Blatt Papier. Und ich würde in meiner Realität, also ich habe an der Kunsthochschule studiert, ich wohne in Wien, ich habe sonst eigentlich keine religiösen Anknüpfpunkte, ich würde das halt als automatisches Schreiben interpretieren. Also man schreibt das, was ihm gerade einfällt und das ist total befreiend eigentlich auch so.
[00:10:45] Und er sagt halt, das hat Gott ihm eingeredet und das sind jetzt halt zwei Beschreibungen für eine Sache, die irgendwie gut ist für einen vielleicht auch, aber ja. Also ich bin ja hier im Kreis der Einzige, der sich als gläubig bezeichnet, ich bin katholisch. Und wie sollte ich leben können ohne Hoffnung? Ich habe einen Sohn verloren und so wie Sie das beschreiben, würde ich es nämlich auch gerne sehen wollen,
[00:11:10] dass man jedem die Freiheit geben soll, so leben zu wollen, wie man es für richtig erachtet und vor allem die Einordnung ins Leben zulässt. Was nicht geht, ist eine Zwangsverpflichtung zum Missionarischen, aber da bin ich ja auch katholisch und nicht methodistisch, das ist ja schon noch einmal ganz was anderes, glaube ich. Zumindest in meiner Wahrnehmung, weil wir uns für die Toleranten halten, die nicht mehr missionieren.
[00:11:36] Naja, zumindest glauben wir das von uns, das muss aber nicht stimmen, um Gottes Willen. Was ich sagen will ist, warum glaubt ihr, dass ihr nur Produkte der Natur seid? Und warum kann es nicht was Göttliches in euch geben, die ihr sozusagen… Du, wir schließen das glaube ich nicht aus, dass es was Göttliches in uns gibt, nur wir wissen es nur einfach nicht. Ja, nein, niemand kann das nicht. Und wir halten uns an das, was wir, oder ich zumindest, halte mich an das, was ich weiß. Aber das Wissen ist ein Produkt der Zeit. Du weißt, vor Galilee haben wir geglaubt, wir haben eine Scheibe.
[00:12:06] Ja, ja, es ist auch eine gewisse Hybris dabei, jetzt einschätzen zu wollen, was man wissen kann und was nicht. Das ist schon wahr. Aber ich stelle mir bei dem Ganzen dann immer die Frage, und auch wenn ich dir jetzt wieder zuhöre, hat es eigentlich der Gläubige leichter im Leben oder die Ungläubige? Wer hat es eigentlich leichter im Leben? Ich kann dir nur meine Antwort für mich geben, ich könnte nicht leben, wenn ich nicht Hoffnung hätte. Ja, aber Hoffnung ist zum Beispiel, du setzt Hoffnung jetzt mit dem Glauben gleich.
[00:12:36] Ich habe auch Hoffnung. Und ohne gläubig zu sein, also für mich ist das jetzt nicht so untrennbar. Weil wir es nicht so sehr theologisieren, aber das sind die drei, glaube, liebe Hoffnung, sind die drei Elemente des Glaubens und der Kirche und des Christentums. Die eine Frage wäre für mich, Hoffnung auf was genau? Dass das Leben mehr ist, dass es eine Seele gibt, dass der Mensch nicht nur ein Produkt chemischer Reaktionen ist und dass es möglicherweise ein Leben nach dem Tod gibt. Aber was kann ich schon verlieren? Wenn es nichts gibt nach dem Tod, ist eh wurscht.
[00:13:06] Aber wie könnte man leben ohne die Hoffnung, dass ich meinem Kind noch einmal begegne? Aber da würde ich nämlich auch einschreiten. Es ist gar nicht so, dass zum Beispiel ich jetzt an nichts glaube. Also Spiritualität, vielleicht bei mir jetzt nicht so viel, aber die existiert schon auch. Und ich glaube schon, wenn man sich jetzt die Fibonacci-Reihe anschaut und dann gibt es da ein Blatt Papier, da ist ja dieses Muster drin und alles und wie überhaupt der Körper aufgebaut ist,
[00:13:34] dass ein Mensch so funktionieren kann, wie er funktioniert, oder eine Ameise oder so. Das finde ich alles total, also wenn man sich das anschaut, unendlich schön zu sehen, dass das irgendwie gestaltet worden ist. Ich finde, da spricht auch überhaupt nichts dagegen. An was ich nicht glaube, und das fand ich jetzt auch in den Gesprächen nach dem Film immer sehr wichtig, ich glaube nicht daran, dass im Himmel einer sitzt, der sagt, wenn du Ehe brichst, dann wirst du so und so bestraft. An das zum Beispiel glaube ich nicht. Ich glaube nicht, dass da im Himmel einer ist, wo ich sagen kann,
[00:14:03] bitte heile meinen Fuß und dann wird er geheilt. Ich glaube nicht, dass da oben jemand sitzt, der sich so wahnsinnig interessiert für uns als Individuum. Also das ist halt meine Position, aber ich weiß es auch nicht. Und das ist, glaube ich, der essentielle Punkt immer in all diesen Debatten. Und das finde ich einfach angenehmer. Ich sage einfach, ich glaube da nicht dran, aber ich weiß es nicht. Dieser Satz ist so wichtig. Und alle anderen, sage ich mal, stark Gläubigen, sagen, ich weiß es und es ist so und Punkt oft.
[00:14:33] Nicht immer, aber oft, wenn es praktisch sehr missionarisch wird. Und denken Sie, dass Ihr Film eine Hilfe ist, sozusagen Spiritualität zuzulassen, Toleranz zuzulassen? Und oder glauben Sie, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der man diese Unterscheidung zwischen dem persönlichen Glauben, der persönlichen Spiritualität und den Strukturen der Kirche und des Katechismus versteht? Kann man das voraussetzen beim Publikum? Braucht man das zum Beispiel, um Ihren Film anschauen zu können?
[00:15:04] Also, um es mal so zu sagen, ich glaube, dass der Film für viele Seiten interessant ist. Also so habe ich ihn auf jeden Fall machen wollen. So hätte ich ihn auch gesehen. Dass praktisch ein stark Gläubiger, was auch immer das jetzt heißt, man kann an einen Gott glauben oder an etwas anderes, den interessant finden kann und genauso Agnostiker oder auch Atheisten. Und deswegen fände ich es auch toll, wenn auch alle Seiten ins Kino gehen. Weil am Ende finde ich es dann interessant, wenn man zusammensitzt und diskutieren kann.
[00:15:31] Man bekommt schon Einblicke in Gedankenwelten, die vielleicht für das Christentum jetzt nicht so populär sind oder so. Und ich finde, das lohnt sich auf jeden Fall, sich anzuschauen. Also es geht um Orientierungssuche, wenn es ein Thema braucht überhaupt. Weiß ich nicht. Orientierungssuche. Also ich habe den Film jetzt nicht gemacht, um Orientierung zu suchen.
[00:15:57] Und ich weiß auch nicht, ob er jetzt für eine Orientierungssuche per se da ist. Es ist einfach ein Einblick. Es ist eine Momentaufnahme sozusagen, auch wenn sie recht lang gebraucht hat, zu machen. Aber man sieht verschiedene Aspekte durch jeden Protagonisten. Also jeder Onkel und jede Tante bringt einen weiteren Aspekt hinzu. Einerseits die Angst vor der Hölle oder eben das Heilen oder das Sich-Abwenden oder das Sich-Nur-Halb-Abwenden oder das Geheilt-Werden zum Beispiel.
[00:16:26] Heute bei Roman Scheibers Filmfilter und bei 365 Rebecca Hirneiser. Dann kommen wir zur formalen und zur dokumentarischen Arbeit selbst. Wo ziehen Sie denn die Grenzen, was Sie von Ihren Verwandten präsentieren und was Sie für zu intim halten? Hat es da eine innere Schere gegeben? Haben Sie sich da so eine Richtlinie gesetzt? Haben Sie die Verwandten zum Beispiel auch gefragt, ob sie das dann zeigen dürfen? Haben Sie es Ihnen vorgespielt, nachdem der Schnitt fertig war?
[00:16:55] Also es sind jetzt verschiedene Fragen. Also erstens, wir haben ja so Gesprächsrunden auch initiiert, die Teil des Films sind und die sind ja per se recht lang und die kann man in der vollen Länge gar nicht zeigen. Und da sind natürlich auch Szenen dabei, wenn man sich überlegt, das sind Geschwister und die haben sich sehr lange nicht mehr wirklich miteinander geredet. Die sitzen da erstmals in einem Raum, in einem Kreis und eine Kamera ist in der Mitte und müssen sich dann miteinander über Privates und den Glauben unterhalten.
[00:17:24] Und da passieren dann schon Dinge, wo ich dann gesagt habe, das ist jetzt tatsächlich zu privat und das ist auch nicht interessant, um irgendwie über Religion und Glaube nachzudenken, weil das einfach da um ganz persönliche Streitereien zum Beispiel geht. Also das ist zum Beispiel eine so eine Grenze. Und ich habe den Film in mehreren Stadien gezeigt, einmal in der Mitte und am Ende, bevor wir den fertiggestellt haben. Es gab auch Protagonisten, die dezidiert gesagt haben, sie möchten ihn nicht sehen.
[00:17:53] Also sie wollen ihn nicht sehen, es waren nicht viele, aber genau. Also zwei haben ihn noch nicht gesehen. Ich hoffe aber, dass sie sich den irgendwann anschauen. Aber auf jeden Fall kann man sagen, dass sozusagen allein die Filmarbeit, also allein die Heisenbergsche Unschärfe jetzt, also die Filmarbeit allein oder dieses Vorhaben, dieses Projekt hat zu neuen Situationen in deiner Familie eigentlich geführt, die so nicht stattgefunden hätten ohne den Film, oder? Das ist tatsächlich so.
[00:18:21] Also am Anfang war der Zustand der, dass praktisch durch die Pflege von meinen Großeltern sind alle irgendwie in diesem Haus wieder zusammengekommen, inklusive mir. Und dann habe ich eben gemerkt, dass meine Großeltern sich verändert haben, weil die waren so fröhlich auf einmal und so locker und das war irgendwie schön zu sehen. Und das hat mich so verwundert, weil davor waren sie sehr ernsthaft auch. Und dann eben war aber die Situation, dass die Geschwister, also meine Onkel und Tanten, gar nicht mehr miteinander geredet haben, weil sie sich zum Beispiel darüber gestritten haben, über das Internet.
[00:18:51] Ist das jetzt rechtens, dass Internet da für die PflegerInnen kommt? Weil das haben die ja eigentlich nie gewollt. Und kann man das irgendwie mit dem Glauben vereinbaren? Was ist, wenn die da irgendwas schauen über dieses Internet, das vielleicht jetzt weniger christlich ist oder sowas? Da gab es verschiedene Positionen so, aber geredet haben sie nicht mehr miteinander. Und ich habe dann praktisch sie in diesen Raum gesetzt und begonnen, mit ihnen zu sprechen. Und ich glaube, das war für uns alle in irgendeiner Form sehr wichtig. Habe ich zumindest dann auch zurückgespiegelt bekommen.
[00:19:21] Man hat auch was miteinander erlebt irgendwie. Also man ist durch verschiedenste Krisen gegangen tatsächlich. Und ich habe schon das Gefühl, dass jetzt die Familienfeste, auf denen ich bin, sich zum Beispiel auch etwas verändert haben. Also dass Parteien, die eigentlich nicht so miteinander reden, einfach zusammensitzen und einen Kaffee trinken und lachen miteinander. Und das finde ich irgendwie gut. Weil im Endeffekt würde ich es gerne so handhaben, dass ich da jetzt einfach hingehe und sage, ich bin jetzt Diagnostikerin hier am Tisch und ich glaube da halt nicht dran.
[00:19:51] Aber lass uns doch jetzt einen Kaffee trinken und es fein haben. Und das finde ich irgendwie sollte man generell so machen. Warum eigentlich nicht? Ich meine, wir wissen es ja eher alle nicht. Ja, ja. Eine andere Frage, wieder nach einer Kategorie und daher eigentlich unzulässig. Aber würden Sie Ihre Arbeit als eine eher künstlerische Arbeit bezeichnen? Gerade auch durch die Prozesse, die Sie da jetzt ausgelöst haben, innerfamiliär beispielsweise? Oder ist es eine journalistische Arbeit, wo Sie Rezipienten in eine ermächtigen, eigene Positionen zu beziehen?
[00:20:23] Gar nicht so leicht zu sagen. Ich weiß, aber ich bin einfach auf der Suche, den Dokumentarfilm einzuordnen. Es ist beides ja ein Kriterium dafür, logischerweise, weil es eine künstlerische Handschrift hat. Aber es hat eben auch was Journalistisches. Weil man ja nicht selber sozusagen der Autor der Dinge ist, die dann dargestellt sind. Ja. Also vielleicht über einen Umweg noch. Du hast vorhin gesagt, du möchtest gern, dass das sozusagen von allen Seiten rezipiert wird und dann darüber gesprochen wird. Aber würde dich nicht überraschen wahrscheinlich,
[00:20:53] wenn es jetzt Teile des Publiums gibt, die sagen, um Gottes Willen wäre eine leere Phrase in dem Zusammenhang. Also diesen aus der Zeit gefallenen Ort mit diesen Menschen, das gibt es noch in Deutschland heute. Frage jetzt. Ich glaube, es ist eine Mischung und das wird auch einfach zu einer Mischung. Also jetzt, weil man geht da hin, man nimmt auf, die Menschen sprechen über sich und ich weiß es nicht. Und dann gibt es ja danach den Prozess, dass man das lange schneidet.
[00:21:21] Und ich glaube, in diesem Prozess des Schneidens, also in dem Finden einer Form für das Material, liegt vielleicht das, was man künstlerische Arbeit nennt. Also praktisch das dann hinsetzen, wo es hingehört. Und ich glaube, in dem Hingehen und einfach mal passieren lassen von den Dingen, auch wenn man natürlich eingreift, ist vielleicht eher der dokumentarische, würde ich jetzt eher sagen, Aspekt. Ja.
[00:21:49] Haben Sie die Gefahr gesehen, dass Sie Ihre Verwandten zu Freaks machen? Alle haben die Gefahr gesehen. Also es gab zum Beispiel, fand ich ganz interessant, ich hatte lange Diskussionen mit meiner Cousine, also das Kind einer meiner Onkel und Tanten. Und sie hat sich ganz stark gegen den Film ausgesprochen. Und wir haben auch immer wieder lang telefoniert. Und eine Sorge war zum Beispiel, dass man sagen könnte, dass Teile unserer Familie evangelikal sind.
[00:22:18] Und das fand ich dann interessant, weil ich dann hingegangen bin zu einem Teil unserer Familie und der hat von sich aus gesagt, der ist evangelikal. Also für sie war das Ur- oder Schimpfwort und er hat einfach gesagt, ich bin es. Und ja, natürlich, man hat ja eine eigene Position zu den Dingen. Und es sind sehr viele Aussagen immer wieder gefallen, die natürlich jetzt nicht so populär sind oder die man vom Christentum jetzt eher, vielleicht eher Amerika zuordnen würde oder sowas.
[00:22:46] Aber die halt einfach hier auch stattfinden und auch im Katholizismus übrigens. Da gibt es auch Freikirchen und auch charismatischere Freikirchen. Und es ist aber, ich habe mich dann dagegen entschieden, weil das einfach, was heißt das schon Freaks? Also es ist einfach, diese Welt ist ja einfach, ich meine, ich verstehe es auch. Es fängt ja, die ganze Bibel ist ja so mystisch oder so. Also da wird ein Kind geboren aus seiner Jungfräulichkeit heraus. Es gibt einen Zauberstab. Es gibt was auch immer, was alles passiert. Das Meer wird geteilt.
[00:23:14] Es ist ja alles eh schon sehr übernatürlich. Und wenn man sich dem ja bewusst wird, dass man das auch wirklich ernst meint, das ist ja eine Sache, die ich verstanden habe bei meinem zum Beispiel evangelikalen Onkel, dass der das einfach tatsächlich ernst meint. Wenn er sagt, er sieht da Dämonen, Wolken im Raum, also er sieht es jetzt nicht, aber sein Heiler hat es gesehen und er spürt das, dann ist das real für den auch da.
[00:23:41] Und das ist für mich schon ein ganz, ganz freakiges Gefühl, aber das gehört irgendwie dazu. 365 über Medien reden. Auf vsom.tv oder auf allen gängigen Podcast-Plattformen finden sich sämtliche Gespräche aus dieser Reihe. Vielleicht auch interessant für Sie drei Gespräche mit drei anderen Dokumentarfilmemacherinnen. Das Gespräch 747 mit Bianca Gleisinger
[00:24:08] oder das Gespräch 331 mit Valerie Blankenbill oder das Gespräch 558 mit Beate Thalberg. Zum Abschluss vielleicht möchte ich nur kurz dazu sagen, dass ich quasi auch einer Art Glauben am nächsten war in meinem Leben dann, wenn ich nämlich versucht habe, ich habe das wirklich eine Zeit lang durchgezogen, ich habe Meditationspraxis gemacht. Und nicht nur bin ich dadurch,
[00:24:38] also ich habe dadurch, ist mir vorgekommen, eine größere Empathie entwickelt, also so Mitgefühl, das ist doch christliche. Also das ist aber natürlich nichts als ein neuronaler Vorgang, wo man ja in Wirklichkeit, wenn man meditiert, dann beeinflusst man ja sozusagen die eigenen Schichten seines Gehirns in Wirklichkeit. Also es gibt auch hier einen wissenschaftlichen Vorgang dahinter. Das fand ich immer recht spannend, obwohl ich jetzt sozusagen wusste, weil ich ja vorher schon wusste, wofür ist das? Und dann habe ich mir gedacht, ich probiere das jetzt einmal
[00:25:07] und habe dann am eigenen Leib festgestellt, ja, das ist wirklich so, das eigene Gehirn verändert sich, wenn man regelmäßig meditiert und man kann tatsächlich besser und gütiger und sanfter und mitgefühliger und all das werden. Und war ich auch damals. Und man kann sogar bis zu einer Weise strahlen, wo man den Eindruck hat, es sammeln sich schon die Leute um einen herum, wo man so strahlt. Ja, und das wollen wir jetzt eigentlich gar nicht. Ja, aber ich wollte nur fragen, hast du auch jetzt schon lange Vorrede,
[00:25:36] hast du auch so Erfahrungen mit sowas gemacht? Ja, ich habe auf jeden Fall ein viel größeres Verständnis für Spiritualität im Allgemeinen bekommen und finde das eigentlich, also so viele Dinge, wo ich jetzt gesagt habe, vorher hat es einen Zufall, wenn irgendwie Sachen sich so überschneiden, deine Freude daran zu entwickeln, die zu entdecken und so. Ja, oder wie du auch sagst, dass man irgendwie so vielleicht anders durchs Leben geht, das glaube ich auf jeden Fall, ich erkläre es mir vielleicht nur ein bisschen anders, also, aber es macht schon, glaube ich,
[00:26:06] was mit einem, wenn man, vielleicht ist es auch die Zeit, die man sich gibt oder so. Wenn man sagt, man meditiert, dann gibt man ja sich selbst auch Zeit. Das ist vielleicht auch, beten ist vielleicht auch so eine Art Meditation. Ist ja eine Parallele wahrscheinlich. Und die hat man ja heute auch gar nicht mehr. Also man hat schon noch die Zeit, wo man sagt, man ist ja mal mehr mit sich, das wird ja auch immer weniger. Daher ist es, glaube ich, sowieso sehr gut, wenn man die Sachen macht und dann geht man vielleicht auch strahlender durchs Leben, denke ich. Also, ja,
[00:26:36] das ist jetzt nicht ganz die Antwort vielleicht auf die Frage. Nein, ich finde, das ist aber ein schöner Schluss, weil man könnte sagen, es ist egal, ob man für andere betet oder ob man eine Metameditation für andere macht, ja, die ja für andere gedacht ist und so. Es hat letztendlich, das sollten mehr Menschen machen, weil das hat einen ähnlichen Effekt. Man wird dann ein Stück weit selbstloser und kümmert sich ein Stück weit mehr um die anderen. Ich denke, das kann ja vieles sein. Zum Beispiel, manche können ja überhaupt nicht meditieren. Also ich zum Beispiel finde Meditieren schwieriger
[00:27:06] als jetzt zum Beispiel im Wasser liegen, im Hallenbad oder sowas. Das finde ich so ein bisschen... Aber dann Samadhi-Tank wäre dann eine Variante für dich. Also sich in so einen abgeschlossenen Wassertank hineinlegen, wo nichts anderes ist. Also da hast du dieses Floating und dann irgendwann beginnt sozusagen dann dein Hirn, wenn du lang genug drin liegst, zu arbeiten. Das hört sich ein bisschen gruseliger an, aber ich könnte es vielleicht ausprobieren. Mir kommt zum Schluss noch der, wenn ich ihn richtig verstanden habe,
[00:27:34] die katsche Gottesbeweis in den Sinn, nämlich dass zwischen Wissenschaft und Glaube kein so großer Unterschied ist. Denn man kann daran zweifeln, dass man das sieht, was man gerade sieht. Man kann dann den Sinnesorganen zweifeln. Man kann daran zweifeln, dass wir gerade den gleichen Moment erleben. Die Käseglocke. Aber ich kann nicht daran zweifeln, dass ich zweifeln kann. Und woher kommt der Zweifel? Vielen Dank für Ihre Zeit. Vielen Dank für die Expertise und toi, toi, toi für den Filmstart. Danke. Gleiches von mir. Vielen Dank. Schön war's.
[00:28:03] Ein Angebot von VSOM, dem Verein zur Förderung eines selbstbestimmten Umgangs mit Medien, hergestellt von Inspiris Medienproduktion. Falls Sie die Arbeit von VSOM und diesen Podcast unterstützen möchten, dann abonnieren Sie 365 auf allen Podcast-Plattformen wie Spotify, Castbox, iTunes oder Soundcloud und überall, wo es Podcasts sonst gibt. Der Verein zur Förderung eines selbstbestimmten Umgangs mit Medien
[00:28:30] finanziert seine Aktivitäten durch Mitgliedsbeiträge und Spenden. Falls Ihnen Medienbildung und Demokratie auch ein Anliegen sind, dann freuen wir uns, wenn Sie uns mit einer Spende unterstützen möchten. Dazu finden Sie Informationen auf der Webseite www.vsum.tv. In diesem Sinne, bis morgen. Bis zum nächsten Mal.